Hallo, ich bin Martin Merbach.
Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder, habe bei meinem Arbeitgeber eine Führungsposition und versorge Schafe, Ziegen und Hasen. Das wäre schon genug, um stets in Action zu sein. Ende des Jahres werde ich aller Voraussicht nach auch noch die Leitung der Feuerwehr in Malmerz übernehmen. Vor acht Jahren hatte ich von Feuerwehr noch keine Ahnung.
Unsere Hochzeit haben wir im Gemeindehaus gefeiert und nebenan hatten die Aktiven einen Ausbildungsabend. Also brachte ich ihnen ein paar Getränke vorbei, nahm mir zehn Minuten Zeit. Und ahnte noch nicht, dass damit meine Karriere in der Feuerwehr begann.
Heute ist die Feuerwehr für mich wie eine Familie. Heute kann ich Wissen von der Arbeit bei der Feuerwehr einbringen - und Wissen von der Feuerwehr auf der Arbeit. Wenn ich, der aus Steinbach stammt, mit meinen Kindern durch Malmerz läuft, grüßen mich die Leute. Jeder fragt, wie es geht, man gehört einfach dazu.
Es hat fast ein Jahr gedauert von der Hochzeitsfeier bis zu meinem Eintritt in die aktive Wehr. Ich habe diese Zeit gebraucht. Niemand hat mich gedrängt. Und ich erinnere mich, wie freundschaftlich ich aufgenommen wurde. Denn der Anfang mit den vielen Abkürzungen und Fachbegriffen war nicht einfach. Ich habe alles ruhig erklärt bekommen, wenn nötig auch mehrere Male. Dann packt er meine Ausbildung an: Truppmann, Sprechfunker, Gruppenführer.
Während dieser Jahre habe ich gelernt zu helfen - und zu sehen, wo Hilfe notwendig ist. Wenn ich früher jemanden alleine schuften sah, dachte ich mir: Warum macht er das denn alleine?" Heute packe ich einfach selbst mit an. Nicht nur in Gefahrensituationen, sondern überall, wo Hilfe notwendig ist. Ich selbst durfte das auch schon erleben. Dass Hilfe kommt, noch bevor man selbst weiß, dass man sie braucht. Zu Hause bekam ich eine Lieferung mit Beton und schob Karre für Karre zu meiner Baustelle. Plötzlich stand jemand mit seiner Schubkarre vor meinem Tor und sagte zu mir: "Jung, das schaffst du allein doch gar nicht. Ich helfe dir." So möchte ich auch helfen. Am liebsten die Dinge lösen, bevor etwas passiert. Ich freue mich über jeden Tag, an denen mein Piepser nicht geht, dann weiß ich, das ist allen im Dorf gut geht.
Der Verkehrsunfall in Föritz Ende April, bei dem fünf junge Menschen schwer verletzt wurden, als das Auto gegen einen Betonpfeiler krachte, war für mich der erste wirklich dramatische Einsatz. So gerne ich geholfen habe, so sehr wünsche ich mir, dass es möglichst wenige dieser Einsätze gibt.
Ich bin heute 36 Jahre alt. Wenn ich in die Zukunft blicke, wird mir eher bange. Wer neu im Dorf ist, gibt vor, keine Zeit zu haben - und die Wehr schrumpft. Alle fünf Jahre werden es fünf Kameraden weniger, meist aus Altersgründen. Aber nicht nur: Ein Kamerad wurde arbeitslos und musste sich eine neue Arbeit suchen - die hat er in Erfurt gefunden und war für uns in der Wehr verloren. Bei so einer kleinen Wehr zählt jeder einzelne. Und jeder, der geht, reißt ein Loch in die Mannschaft.
Die Jugendlichen heute haben komplett andere Interessen. In zehn bis 20 Jahren wird es für die Feuerwehr richtig schlimm aussehen. Die Zusammenarbeit zwischen den Wehren wächst auch deshalb. Dort wo früher argwöhnisch auf die Nachbarwehr geschaut wurde, ist man heute froh, dass es sie gibt. Alte Rivalitäten zwischen den großen Wehren in der Stadt und den kleinen auf dem Dorf sind aus meiner Sicht beigelegt. Wir brauchen alle - und das wissen die Aktiven in den kleinen Organisationen und das wissen auch die Aktiven der großen Standorte. Auch die sind froh, dass ist uns kleine gibt. Heute schon gibt es eine Alarmierungskette mit Köppelsdorf. Das heißt, es werden im Einsatzfall immer beide Wehren alarmiert. Dadurch kann die Anzahl der Aktiven vor Ort gehalten werden - aber die Einsätze werden auch mehr.
Mein Arbeitgeber unterstützt mich und bekommt den Lohnausfall auch von der Stadt bezahlt - aber die Arbeit bleibt eben liegen. Bei aller Begeisterung für die Feuerwehr und der Leidenschaft fürs Helfen frage ich mich trotzdem: Wer ernährt meine Familie? Die Firma? Oder die Feuerwehr? Daher wünsche ich mir, dass die Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern ermöglichen zu helfen, auch in irgendeiner Form einen Bonus oder ein Dankeschön bekommen.
Mein Dankeschön ist der Dank des Dorfes, das schöne Gefühl integriert zu sein. Meinen Bonus hätte ich natürlich am liebsten jeden Tag: Einen Piepser, der schweigt. Ein Dorf, dem es gut geht.